Nostalgie als Schlüssel zum Positiven: Wie Erinnerungen unser Selbstbild beeinflussen.
Vess, M. et al. (2012)
Leitartikel: Nostalgia as a Resource for the Self.
Nostalgie ist eine einzigartige Emotion, die uns oft unerwartet überkommt. Sie schleicht sich in unseren Alltag ein, wenn wir alte Fotos betrachten, vertraute Lieder hören oder einen vertrauten Duft in der Luft wahrnehmen. In solchen Momenten werden wir von einer warmen Welle der Erinnerung umspült, die uns in längst vergangene Zeiten zurückversetzt. Doch Nostalgie ist mehr als nur eine Flucht in die Vergangenheit – sie hat eine tiefere Bedeutung für unser emotionales Wohlbefinden und unsere Identität. In diesem Artikel wird Nostalgie als Ressource für das Selbst untersucht, um zu verstehen, wie sie unsere Gegenwart formt.
Basierend auf neueren Erkenntnisse, welche nahelegen, dass Nostalgie sich häufiger auf angenehme Konzepte bezieht (wie beispielsweise warme Erinnerungen aus der Kindheit), wird in diesem Artikel davon ausgegangen, dass es sich hier primär um eine positive Erfahrung handelt. Es konnte darüber hinaus in einer Studie von Wildschut und Kollegen (2006) festgestellt werden, dass Nostalgie das Selbstwert- und Zugehörigkeitsgefühl und somit auch unser positives Empfinden stärkt.
In einem ersten Experiment betrachteten die teilnehmenden Personen entweder ein nostalgisches Ereignis oder ein positives Ereignis in ihrer Zukunft. Anschließend wurden ihnen positive und neutrale Persönlichkeitsmerkmale genannt, von welchen sie jeweils einordnen sollten, ob diese selbstbeschreibend seien oder nicht.
Das Nachdenken über nostalgische Erinnerungen schien dabei tatsächlich Assoziationen mit positiven Merkmalen des Selbst zu aktivieren – die Geschwindigkeit, mit der nostalgische Teilnehmer positive Selbstattribute kategorisierten, war deutlich höher.
In dem zweiten Experiment erhielten die Teilnehmenden entweder positives oder negatives Feedback zu ihrer Leistung bei einem angeblichen Test zum analytischen Denken. Anschließend erhielten sie die Aufgabenstellung, zu beurteilen, inwiefern die Testleistung auf ihr Können zurückzuführen sei. Das Ergebnis war, dass Teilnehmende im Nostalgiezustand Misserfolge eher ihren Fähigkeiten zuschrieben und Erfolg weniger auf ihre Fähigkeiten zurückführten als Kontrollteilnehmer. Eigennützige Zuschreibungen wurden also reduziert, was darauf hinweist, dass nostalgische Reflexion das Selbst vor vielen Arten von Ego-relevanten Bedrohungen schützen kann. Der Selbstwert kann hier also trotz Misserfolgen aufrechterhalten werden.
Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass Nostalgie tatsächlich auch in dieser Untersuchung als positive Ressource für das Selbst fungiert. Ähnlich wie auch andere Selbstbestätigungsressourcen könnte Nostalgie daher Abwehrreaktionen (wie Aggressionen oder Unsicherheit) auf Bedrohungen des Selbstwertgefühls abschwächen.