Macht Geld glücklich?
Neuweg, G. (2019)
Leitartikel: Das Verhältnis zwischen materiellem Wohlstand und psychischem Wohlbefinden als wirtschaftspädagogische Herausforderung.
Dieser Artikel geht der Frage nach, ob und in welchem Ausmaß materieller Wohlstand nach Abdeckung der Grund- und Sicherheitsbedürfnisse die Zufriedenheit beeinflusst.
Sind Menschen in reichen Ländern glücklicher als in armen Ländern?
In der Lebenszufriedenheit zeigten sich zwischen den Ländern sehr starke Unterschiede in der Lebenszufriedenheit. Am höchsten waren die Zufriedenheitswerte für Nordamerika, Ozeanien und Westeuropa, am niedrigsten für Afrika und Südasien. Die Annahme, dass Menschen aus wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern glücklicher wären, ist also falsch.
Sind Menschen mit hohem Einkommen zu einem bestimmten Zeitpunkt glücklicher als Menschen mit niedrigerem Einkommen?
Auch auf individueller Ebene bewerten reiche Menschen ihre Lebenszufriedenheit besser als ärmere. Dieser Effekte trat laut Diener und Kollegen auch auf, wenn ausschließlich das Nationaleinkommen betrachtet wurde. Dies zeigt, dass mit dem nationalen Wohlstand verbundene gesellschaftliche Faktoren (u.a. Bildungsangebot, Gesundheitsdienstleisungen, Verkehrsinfrastruktur) sehr große Auswirkungen auf die Lebenszufriedenheit haben.
Bleibt der Zusammenhang zu Zufriedenheit mit steigendem Einkommen bestehen?
Der Einfluss des Einkommens auf die Lebenszufriedenheit wird ab einem gewissen Wohlstandsniveau immer geringer. Menschen in reichen Staaten sind also sehr viel zufriedener als Menschen aus armen Ländern, jedoch nicht besonders mehr als jenen im mittleren Einkommensbereich. Ab einem Einkommen von etwa 10.000 US-Dollar jährlich hat eine Erhöhung des durchschnittlichen Einkommensniveaus nur noch eine geringe Steigerung der durchschnittlichen Lebenszufriedenheit der Bevölkerung zur Folge (Frey & Frey, 2010).
Wieso nimmt die Lebenszufriedenheit in den reichen Industrienationen trotz des konstant steigenden Wohlstandes nicht zu?
Obwohl das Einkommen die Lebenszufriedenheit positiv beeinflusst, nimmt dieser Effekt in Industrienationen über einen länger betrachteten Zeitraum nicht zu. Doch wieso nimmt der Einfluss des Nationaleinkommens über die Zeit ab? Auf diese Frage bietet der Artikel verschiedene Antwortvorschläge:
(a) Easterlin (1974): Die Zufriedenheit der Menschen hängt möglicherweise in erster Linie von ihrem relativen Einkommen ab, also von ihrem Wohlstand im Vergleich zu anderen. Wenn nun das durchschnittliche Einkommen aller Menschen gleichzeitig ansteigt, stagniert die Zufriedenheit.
(b) Sachs (2017, 2018): Möglicherweise kommt es in den Ländern zu einer Verschlechterung bestimmter zufriedenheitsrelevanter Parameter. In den USA könnte es sich hier zum Beispiel um folgende Faktoren handeln: „Erosion des sozialen Kapitals (Auflösung sozialer Bindungen, wachsende Ungleichheit, abnehmendes Vertrauen in die Politik, gravierende Lücken in der sozialen Sicherung), Drogenmissbrauch, Fettleibigkeit und psychische Erkrankungen“ (vgl. Sachs 2017, 2018).
(c) Denkbar ist auch eine hedonistische Adaption: Die Menschen gewöhnen sich an das je- weils erreichte Wohlstandsniveau und erhöhen ihre Ansprüche. Das Easterlin-Paradoxon ver- schwindet, wenn man berücksichtigt, dass sich die Skala, mit der die Menschen messen, im Laufe der Zeit aufgrund des allgemeinen Wohlstandsanstiegs verschiebt (vgl. Weimann/Kna- be/Schöb 2012, 127 f.).
Welche bedeutsamen Glücksdeterminanten gibt es jenseits des Einkommens?
a) Arbeit
Eine interessante Tätigkeit sowie ein sicherer Arbeitsplatz haben auch nach Kontrolle des Einkommens noch große Effekte. Arbeitslosigkeit führt zu einem Verlust an sozialen Kontakten, sozialem Ansehen und Selbstwertgefühl, wodurch die Lebenszufriedenheit deutlich abnimmt (Frey & Frey, 2010, 2017).
b) Persönlichkeitsmerkmale
Unsere genetische Ausstattung sorgt für ein individuell unterschiedliches Basisniveau für Lebenszufriedenheit.
c) Stabile soziale Beziehungen
Bei befriedigenden Beziehungen handelt es sich um einen der wichtigsten Glücksfaktoren. Forschungen (vgl. Layard, Clark & Senik, 2012; Frey, 2017), konnten beispielsweise zeigen, dass verheiratete Menschen im Allgemeinen zufriedener beispielsweise als unverheiratete.